Die DLRG (Deutsche Lebensrettungsgesellschaft) ist die größte freiwillige Wasserrettungsorganisation der Welt. Sie wurde 1913 in Leipzig gegründet und bis auf wenige Ausnahmen arbeiten die Mitglieder ehrenamtlich, mit dem Ziel, das Ertrinken von Menschen zu verhindern. Dabei arbeitet die DLRG auch international mit anderen Verbänden zusammen. Es gibt deutschlandweit über 2000 örtliche Gliederungen. Die Leipziger Gliederung umfasst rund 350 aktive Mitglieder. Die ehrenamtlichen Helfer engagieren sich als Wachgänger beim Wasserrettungsdienst, bei der Schwimmausbildung und bei der Aufklärung über sicheres Verhalten am und im Wasser. Neben dem Katastrophenschutz und der Wasserrettung gibt es auch einen eigenen sportlichen Bereich bei der DLRG. In Wettkämpfen und eigenen Disziplinen messen sich die angehenden und erfahrenen Rettungsschwimmer und trainieren damit auch die notwendigen Fähigkeiten für den Ernstfall. Über das Engagement der Leipziger Gliederung habe ich mit der ersten Vorsitzenden Franziska Meißner gesprochen.

Interview

Jenny: „Kann jeder Rettungsschwimmer werden? Welche Voraussetzungen muss man dafür mitbringen?“

Franziska: „Prinzipiell kann jeder Rettungsschwimmer werden, da bieten wir verschiedene Ausbildungsstufen an. Man kann schon im Alter von 10 Jahren anfangen, das ist der Juniorretter. Dann kommt das Deutsche Rettungsschwimmabzeichen Bronze, das kann man ab 12 Jahren ablegen. Und das Deutsche Rettungsschwimmabzeichen Silber kann bis jetzt ab dem 15. Lebensjahr abgelegt werden, das Rettungsschwimmabzeichen Gold dann ab dem 16. Lebensjahr. Da wird es aber wahrscheinlich eine Veränderung in der Prüfungsordnung geben, so dass man das Rettungsschwimmabzeichen Silber schon mit 14 Jahren ablegen kann.“

Einsatz der Rettungspuppe, hier bei den Bezirksmeisterschaften in Zittau 2018

„Die Begrenzung gibt es, um den körperlichen Merkmalen in jedem Alter gerecht zu werden. Prinzipiell ist die Voraussetzung, dass die Inhalte, die zum Rettungsschwimmerlehrgang oder beim Rettungsschwimmen abgefordert werden, körperlich geleistet werden können. Es gibt aber immer ein paar Ausnahmen:  Wenn wir Teilnehmer haben, die zum Beispiel 70 plus sind, denen es schwer fällt, alleine aus dem Becken auszusteigen ohne über die Leiter zu gehen, was theoretisch eine Anforderung beim Bergen über den Beckenrand ist, dann können wir demjenigen eine Ersatzprüfungsleistung geben, wenn eine generelle Rettungsfähigkeit besteht. Wenn derjenige also körperlich in der Lage ist, jemanden aus dem Wasser zu retten. Da können wir zum Beispiel ermöglichen, dass diejenigen sich eine zweite Person mit dazu holen dürfen. Man ist ja oft nicht alleine am oder im Wasser, bzw., wenn man ganz alleine ist sollte man sich von vornherein Hilfe rufen. Also, in jeder Notsituation ruft man ja um Hilfe. So werden die Leute von uns auch da herangeführt: „O.k., Du bist über 70, Du musst Deine körperlichen Leistungen einschätzen können und entsprechend Dich selbst absichern.“ Denn das oberste Gebot ist immer: „Selbstrettung geht vor Fremdrettung“.

Die ehrenamtlichen Helfer bei der Bootsausbildung in Pirna

„Wir haben bei der DLRG auch ganz viele unterschiedliche Bereiche. Zum Beispiel haben wir eine Dame, die in der Hunderettungsstaffel tätig ist. Sie hat eine körperliche Beeinträchtigung, so dass sie den Rettungsschwimmschein nicht ablegen kann. Wir sagen aber: Sie arbeitet in der Hunderettungsstaffel, der Zugang zum Wasser ist dort nicht zu 100 Prozent gegeben und wir als Leipziger Gliederung und der Arzt bescheinigen dann, dass sie das nicht leisten kann und muss. Warum sollte sie sich nicht ehrenamtlich engagieren, in einem Bereich, der ihr Spaß macht? Das sollte nicht daran scheitern. Zumindest sehen wir das so. An sich könnte sie eben nicht alleine am Beckenrand stehen und als Übungsleiter tätig sein. Aber in dem Bereich sagen wir eben, sie braucht den Rettungsschwimmer nicht.“

Ein neues vierbeiniges Mitglied bei der Ausbildung. In der Saison 2018 werden bereits zwei Hunde die Rettungsschwimmer in Leipzig unterstützen

Jenny: „Wie ist denn der Rettungsschwimmkurs aufgebaut?“

Franziska: „Der Rettungsschwimmerlehrgang bei uns in Leipzig ist ein 6 Wochen Kurs à 2 Stunden Theorie und 2 Stunden Praxis die Woche. Man muss nicht alles können, wenn man da hinkommt, aber man sollte als Grundvoraussetzung schon schwimmen können zum Beispiel (lacht). Um Silber ablegen zu können ist eine Grundvorrausetzung, dass man das Kraulschwimmen beherrscht. Denn das ist ein Prüfungsinhalt und wir können das in einem 6-Wochen-Kurs nicht vermitteln. Dafür bieten wir aber regelmäßig Kraulkurse an. Das sind auch Sechswochenkurse, in denen Interessierte als Vorbereitung dann diese Schwimmtechnik erlernen können, dort kann man auch gut die Ausdauer trainieren. Dann kann man guten Gewissens in den Rettungsschwimmerlehrgang gehen. Viele kennen aus der Freizeit ja eher das Brust- und Rückenschwimmen.“

Jenny: „Gibt es eigentlich Schwimmkurse bei Euch, die auch von den Krankenkassen bezuschusst werden oder hat das jetzt gar nichts damit zu tun?“

Franziska: „Bei einigen Krankenkassen geht es auf jeden Fall. Da bekommen wir regelmäßig zum Ende des Jahres diese Bonushefte, in denen die Mitgliedschaft in einem Sportverein prämiert wird. Wir sind ja auch ein Sportverein und wenn die Mitglieder regelmäßig kommen können wir das entsprechend eintragen. Wenn die Mitglieder an Sportveranstaltungen teilnehmen, an Schwimmwettbewerben oder dem Spendenschwimmen zum Beispiel, kann das auch für Bonusprogramme vermerkt werden. Es kommt immer auf die Krankenkasse an.“

Jenny: “Kann man bei Silber einsteigen oder muss man alle Abzeichen der Reihe nach durchmachen?“

Franziska: “Nein, also ich habe das Seepferdchen und das Rettungsschwimmabzeichen Silber, man kann da einsteigen wo man möchte. Wir machen einen Rettungsschwimmkurs, in dem wird entsprechend der Leistung Silber und Bronze geprüft. Wir schauen uns in der 1. Kursstunde an, was die Leute wahrscheinlich eher schaffen würden und besprechen dann von vornherein, ob es Silber oder Bronze wird. Aber wir gehen da auch flexibel ran: Wenn die Leute in 6 Wochen einen totalen Leistungssprung machen können sie natürlich auch Silber schaffen. Zum Beispiel haben wir zwei Teilnehmer, die zusätzlich noch zweimal die Woche schwimmen gehen. Sie möchten unbedingt Silber schaffen und üben das selbständig. Ich gebe ihnen auch jede Woche Übungen zur Verbesserung ihres Kraulschwimmens. Die Struktur ist vor allem für die Kinder gut. Unsere Konzepte bei der Schwimmkompetenzvermittlung und beim Rettungsssport richten sich größtenteils nach diesen Abzeichen. Das „Idealbild“ wäre ein Kind, welches bei uns Schwimmen lernt, dann den Juniorretter macht, Bronze macht, Silber macht…dass wir eben die Kinder von 5 bis 18 beschäftigt haben mit Abzeichen (lacht).“

Erste Wettkampferfahrungen werden gesammelt, zum Beispiel bei den Bezirksmeisterschaften in Zittau 2018

Jenny: „ Wann können die Jugendlichen dann den Wachdienst machen?“

Franziska: „ Den Wachdienst kann man mit dem Rettungsschwimmabzeichen Silber und ab dem 16. Lebensjahr machen. Und der Rettungsssport hält die Kids und Jugendlichen an der DLRG und begeistert sie für den kompletten Bereich der Lebensrettung. Unser Ziel dabei ist natürlich auch, schnelle Rettungsschwimmer auszubilden. Eine andere Grundidee war, die Leute dazu zu motivieren, sich kontinuierlich fit zu halten und somit ein guter Rettungsschwimmer zu bleiben. So ist der Rettungssport mit seinen Wettkämpfen entstanden, über fast alle Altersklassen hinweg. Das finde ich immer sehr lustig: Wenn man Rettungsschwimmen sagt denken alle immer gleich an Baywatch. Aber wenn man sich das mal genau ansieht: Da finden auch rettungssportliche Wettkämpfe statt. In Amerika, Neuseeland und Australien ist das Nationalsport. Da reißen sich die Leute darum, Rettungsschwimmer sein zu dürfen. Das ist der große Unterschied: Hier in Deutschland suchen wir noch Rettungsschwimmer und in anderen Ländern gibt es richtige Auswahlverfahren. Da ist es eine Auszeichnung, Rettungsschwimmer sein zu dürfen und wer beim Auswahlverfahren nicht fit genug ist wird gar nicht erst aufgenommen.“

Einsatz mit dem „IRB“, dem „Inflatable Rescue Boat“ beim Leipzig-Triathlon 2017. Mit dem IRB gibt es auch internationale Wettkämpfe

Jenny: „Was sind denn die wichtigsten Wettkämpfe für Euch?“

Franziska: „ Die Wettkämpfe bauen sich auf, wie man das auch von anderen Sportarten kennt: Von Ortsgruppenmeisterschaften über Bezirksmeisterschaften bis Landes- und deutsche Meisterschaften. Auf diesen Wettkämpfen kann man sich auch für die Nationalauswahl präsentieren, um dann an den internationalen Wettkämpfen teilnehmen zu können. Dafür gibt es auch weitere Veranstaltungen, zum Beispiel der Deutschland-Cup Pool in der Schwimmhalle und der Deutschland Cup Open Water im Freigewässerbereich. Da findet dann die Auswahl durch unsere Bundestrainerin statt. Ein Höhepunkt sind die Weltmeisterschaften, die „Rescue“. Im Wechsel dazu finden die „World Games“ statt, das ist natürlich der höchste Wettkampf überhaupt. Das sind sozusagen die Olympischen Spiele für die nicht-olympischen Sportarten. Jeder Rettungssportler, der sehr erfolgreich ist, möchte einmal bei den World Games starten.

Eine Schwimmerin mit Gurtretter: er dient im Ernstfall als Auftriebskörper und unterstützt die Helfer bei der Bergung bewusstloser Menschen

„Der DLRG-Cup in Warnemünde findet immer Ende Juli statt. Das ist ein sehr beliebter internationaler Freigewässer-Wettkampf mit toller Atmosphäre. Da kommen zum Beispiel die Schweden, die Franzosen, Polen, Tschechen und Holländer…die Holländer sind auch eine sehr erfolgreiche Nation, was den Rettungssport angeht. Es macht immer unglaublich viel Spaß in Warnemünde an den Start zu gehen, an der Ostsee am Sandstrand. Dort wurde auch eine Arena aufgebaut, in der dann abends finale Wettkämpfe  im Flutlicht und mit Publikum stattfinden.“

Jenny: „Welche Disziplinen gibt es zum Beispiel bei diesen Freigewässerwettbewerben?“

Franziska: „Zum Beispiel haben wir einen Parkour mit dem Rettungsbrett oder das „Retten“ von jemandem mit dem Rettungsbrett, das ist dann auch eine Mannschaftsdisziplin. Es gibt auch Strandsprints und Wettkämpfe mit dem Schlauchboot, dem „Inflatable Rescue Boat“, IRB. Sozusagen als Königsdisziplin haben wir auch einen Rettungs-Triathlon. Eine sehr taktische und tolle Disziplin ist „Beach Flags“, das macht auch unheimlich viel Spaß. Es wird auf dem Sand gespielt und es gibt mehr Wettkämpfer als „Flags“, Stäbe. Jeder sprintet zu den Flags und versucht, eine zu erreichen. Wer keine bekommen hat scheidet aus. Ich mag diese Disziplin sehr gerne: Wenn man schönen Sand  hat kann man sich richtig reinwerfen und es ist auch ein unglaublich schnelles Spiel. Zu meinen Wettkampfzeiten hat es tatsächlich einmal für den 13. Platz gereicht – von 300 Leuten deutschlandweit. Da war ich sehr stolz. Und es macht eben unglaublich viel Spaß. Damit trainiert man auch die Strandschnelligkeit, welche für das Retten wichtig ist. Dann gibt es auch noch das „Surf Ski Race“, das ist ein Rennen mit dem Rettungs-Kajak. Durch den australischen Einfluss benutzen wir viele englische Begriffe: das Rettungskajak wird selten als Rettungskajak bezeichnet, wir sagen eben Surf-Ski. Und die Wettkampfdisziplinen haben auch alle englische Begriffe: Beach-Flags, Ski-Race, Board-Race…oder Surf-Race: das klingt so spannend, ist aber eigentlich „nur“ Schwimmen. Beziehungsweise eben Brandungsschwimmen, als Disziplin bei den Freigewässer-Wettkämpfen.“

Einweisung im Kanupark Markkleeberg: Die Lebensrettung in starker Strömung kann dort gut geübt werden…

…”Team-work makes the dream work”. Teamarbeit spielt bei der DLRG eine große Rolle

Jenny: „Das ist ja sehr vielseitig…!“

Franziska: „Ja, auf jeden Fall. Man muss im Prinzip alles ein bisschen können, dann hat man ganz gute Chancen auch vorne mit dabei zu sein, vor allem im Team. Was mir immer unheimlich viel Spaß gemacht hat war, dass man als Mannschaft so viel zusammengearbeitet hat, das fand ich immer sehr schön. Viele denken ja, Schwimmen wäre „nur“ eine Individualsportart. Und man trainiert auch für einen guten Zweck. Für mich ist Rettungssport die einzige Sportart, die wirklich einen Sinn ergibt. Weil man trainiert, um jemanden zu retten und nicht „nur“ einen Ball durch die Gegend schießt (schmunzelt). Und man lernt auch den Umgang mit den Materialien, das ist ja auch das Schöne. Zum Beispiel haben wir im „Leinenwurf“ sogar einmal Gold oder Silber geholt, das gibt es bei internationalen Wettkämpfen: Da wird eine Leine zu jemandem geworfen und derjenige kann dann aus dem Wasser gezogen werden. Wenn man Weltspitze ist, macht man das in 8 Sekunden. Ein Kollege hat das jahrelang trainiert. Der war bei den letzten Weltmeisterschaften so alt, dass er sportlich eigentlich gar nicht mehr konnte. Aber er hatte das Leinewerfen so perfektioniert, dass er aufgrund dessen tatsächlich mitgenommen wurde. Da haben wir zwei Spezialisten in Deutschland, die meisten scheitern im Wettkampf daran. Denn das muss natürlich oft geübt werden. Generell kann man hier in Leipzig im Sommer am Kulkwitzer See trainieren, beim Kanu- und Freizeit-Club können wir unser Material glücklicherweise lagern. Und natürlich geht das auch indoor bei uns in den Schwimmhallen.“

 Jenny: „In welcher Saison müssen Eure Rettungsschwimmer und der Katastrophenschutz am aktivsten werden in Leipzig?“

Franziska: „Wir haben definitiv im Sommer die Saison. Im Winter sind relativ wenige Einsätze, da üben wir aber natürlich Eiseinbrüche. Wir hatten dieses Jahr in Leipzig zwei Eiseinbrüche bei denen wir aktiv werden mussten.“

„Wie viele Menschen kannst Du in diesem Bild entdecken?“ – Eistauchen in Thekla

„Aber prinzipiell sind es im Sommer wesentlich mehr Einsätze, vor allem, weil wir ganz viele Veranstaltungen absichern. Feste Termine sind zum Beispiel der Leipziger Triathlon und das Think-Festival. Wenn die Jugendlichen da dann Richtung See wandern…“

Jenny: “…nicht ganz nüchtern…“

Franziska: „…ja, in einem nicht ganz zuträglichen Zustand, genau, da sind wir dann da und passen an der Seeseite auf. Wir sichern auch ganz viele Veranstaltungen von anderen Vereinen ab, zum Beispiel Regatten. Im Sommer ist die Aktivität am See natürlich sehr viel höher. Deshalb ist unsere Wache am Kulkwitzer See in den Sommerferien komplett besetzt, da sind jeden Tag 2 bis 3 Wachgänger im Einsatz. Außerhalb der Ferien haben wir an den Wochenenden ab Mai und bis September unsere Posten besetzt.“

Triathlon 2017 am Kulkwitzer See Leipzig: Augen auf beim Massenstart…

…auch auf den letzten Metern gibt es freundliche Rückendeckung

„Nichtsdestotrotz sind wir natürlich auch im Winter sehr aktiv: Da werden viele Ausbildungen abgeschlossen, da wir im Sommer aufgrund der Einsatzdichte gar nicht dazu kommen. Und es gibt natürlich auch noch unseren Trainingsbetrieb. In den Sommerferien sind die Schwimmhallen geschlossen, da gibt es bis auf das Integrative Schwimmen keine Kurse. Und die Kinder haben ja auch ein Recht auf Ferien. Für uns Übungsleiter ist es ebenso mal in Ordnung, wenn wir ein paar Wochen kein Training haben. Es ist natürlich wichtig, dass die Ehrenamtlichen auch wieder etwas Kraft schöpfen können. Bis auf sehr wenige Hauptamtliche arbeiten die meisten Mitglieder der DLRG ehrenamtlich.“

Jenny: „Wie kam es dazu, dass die DLRG integrative Schwimmkurse anbietet und wie lange macht Ihr das schon?“ (Integrative Schwimmkurse: Schwimmkurse für Geflüchtete, Anm. der Red.)

Franziska: „Als das mit den Flüchtlingen 2015 so aktuell war habe ich mir immer gedacht, es wäre toll, Schwimmkurse anzubieten. Ich kann eben Schwimmen lehren und da könnte ich wirklich etwas bewirken.“

Jenny:“…zu diesem Zeitpunkt gab es ja wahrscheinlich auch noch keine Schwimmkurse für Flüchtlinge….“

Franziska: „Richtig. Dann war ich aber erst einmal sehr mit Seminaren an der Uni und Schwangerschaft beschäftigt. Bei einer DLRG-Mitgliederversammlung hieß es dann etwas später, dass montags die Schwimmzeit von 16- 17 Uhr nicht gut ausgelastet wäre und es kam die Frage auf, ob man die Zeit behält oder frei gibt. Ich dachte dann, ja, ich kann das leisten und würde den Flüchtlingen gerne ein offenes Training anbieten. Mir war zu dem Zeitpunkt wichtig, das nicht alleine zu machen, da ich einfach noch nicht wusste, was auf mich zukommen würde. Es gab dann noch jemanden, der schon in den Aufnahmezentren Sportkurse angeboten hat und so haben wir das Training 2016 zusammen begonnen. Es gab auch schon ganz viele Anfragen von Erstaufnahmeeinrichtungen, die haben wir dann über das neue Training informiert. Zuerst war das alles aber sehr chaotisch. Die Leute kamen mal und kamen mal nicht, es war kein effektives Arbeiten. Wir hatten den Wunsch, das alles mehr zu strukturieren und zu organisieren. Meine Masterarbeit stand auch an und die Überlegung war, zu überprüfen, wie sich der Kurs eventuell auf die Sprachkompetenz auswirkt. Im Rahmen der Abschlussarbeit habe ich dazu eine Studie entwickelt. Und Ende Februar 2017 haben wir mit dem ersten richtigen Kurs angefangen, der auch mit der Studie verbunden war. Es gab dabei einen Spracheingangstest und am Ende einen Ausgangstest.“

Jenny: „…um zu schauen, wie sich der Kurs auf die Sprachfähigkeit ausgewirkt hat…“

Franziska: „Genau. Denn eine Steigerung bei der Integration wird ja häufig an der Sprache festgemacht: Jemand kann sich nur integrieren, wenn er sich verständigen kann.“

Etwas mehr Sicherheit beim Wasserfest in Leipzig

„Deswegen haben wir gesagt: „Integration durch Sport ist ja schön und gut, aber klappt das denn wirklich?“ Und es hat super funktioniert. Wir wollten außerdem erreichen, dass die Teilnehmer das Schwimmabzeichen Bronze schaffen. Damit sie sichere Schwimmer werden, ehe wir sie vielleicht nach dem Kurs nicht mehr erreichen. Letztes Jahr im August startete dann der zweite  Kursdurchlauf und im Oktober gab es auch noch einen Mädchenkurs in Torgau. Jetzt haben wir gerade mit dem dritten Kursdurchlauf angefangen. Die Nachfrage ist auch immer noch sehr hoch.“

Jenny: „Sind es aktuell eigentlich gemischte Kurse?“

Franziska: „Es sind vorwiegend Jungs, aber wir haben auch drei Mädchen, das finde ich super.“

Jenny: „ Warum können viele Geflüchtete eigentlich nicht schwimmen?“

Franziska: „In Syrien z.B. gibt es ja sehr wenig Wasserfläche und auch nur wenige Schwimmbäder. Außerdem ist Schwimmunterricht in der Schule oder auch in den Familien in einigen Ländern nicht so traditionell verankert wie in Deutschland. Wenn sich die Menschen dann hier am Wasser aufhalten ist das Risiko natürlich höher, dass etwas passiert. Mit den Kursen verbessern wir die Sicherheit erheblich. Außerdem wird damit auch der Zugang zu den ganzen Wassersportarten ermöglicht, der sonst ja nicht gegeben wäre. Inzwischen haben wir bereits drei Jungs, die sehr aktiv bei uns in der DLRG mitarbeiten. Einer ist als Übungsleiter tätig und zwei engagieren sich sehr bei den Sportbädern. Davon ist einer fest als Rettungsschwimmer angestellt. Das klappt alles sehr gut, ich finde das ganz toll. Viele haben ihre anfänglichen Ängste und Befürchtungen überwunden und sind jetzt total wasseraffin geworden. Wir versuchen auch gerade, unser Konzept an andere Vereine weiterzugeben, da oft gefragt wurde wie man solche Kurse aufbaut. Bei Interesse können auch die Arbeitsblätter verwendet werden.

Klar hat man immer mal ein paar Verrückte dabei. Die sind dann einmal da und können sich nicht gut an die Disziplin, die am Wasser herrschen muss, anpassen. Das ist aber natürlich sehr wichtig. Da sind wir streng in den ersten zwei, drei Stunden, bis wir wissen, es wird verstanden was wir meinen. Man muss ja die Kommunikation erst einmal ausprobieren…was funktioniert, was funktioniert nicht, wieviel Sprachkompetenz ist schon da…“

Die Gewässerreinigung 2016 in Leipzig war leider sehr ergiebig…

…vermisst jemand seinen Ausweis? Ein weiteres Fundstück

Jenny: „Habt Ihr eigentlich Dolmetscher?“

Franziska: „Nein, wir arbeiten bewusst ohne Dolmetscher. Ich nutze alle Möglichkeiten der Vermittlung von Lehrinhalten, die sich bieten: Auditiv, visuell, auch taktil nach Absprache. Für Bauchlage fasse ich mir an den Bauch, bei der Rückanlage auf den Rücken. Und ich bringe mich am Beckenrand in eine Position, bei der die Leute mich gut sehen können und zeige viel vor. Die Schwimmbewegungen üben wir dann auch an Land. Wir machen die Bewegungsvermittlung auch über das Führen der Bewegung.  Ich habe bisher noch niemanden gehabt, der gesagt hat, „Nein, Du darfst mich nicht anfassen.“ Außerdem sind in den Arbeitsblättern die Bewegungen auch noch einmal dargestellt, in Form von comic-ähnlichen Zeichnungen und kurzen prägnanten Sätzen. Die geben wir den Leuten entsprechend mit, so dass sie das über die Bilder auch noch einmal sehen können. Nach einer gewissen Weile kennen sie dann diese Begriffe. Das wiederholt sich ja auch alles: Bauchlage, rückwärts, vorwärts, Beine, Kopf, Springen, tauchen, Ausatmen, Einatmen… Die Teilnehmer übersetzen sich zudem auch viel gegenseitig wenn etwas noch nicht verstanden wird.“

Jenny: „ Gibt es vielleicht noch andere Unterschiede zwischen den Integrativen Kursen und den anderen Schwimmkursen?“

Franziska: „Was wir mit den Geflüchteten anders machen ist, dass wir mit der natürlichen Bewegungsform anfangen, das ist das Rückenschwimmen. Das kann erst einmal besser umgesetzt werden. Ansonsten würde ich sagen: Kleine Kinder mit 5 Jahren wissen erst einmal auch nicht, was „Körperspannung“ heißt. Auch denen muss ich das mit anderen Methoden zeigen. Sonst gibt es gar nicht so viele Unterschiede.

Jenny: „Was ist eigentlich Deine Motivation, Dich ehrenamtlich bei der DLRG zu engagieren? Das ist ja wahrscheinlich sehr zeit- und energieaufwändig, vor allem, wenn man auch noch einen Job hat…“

Franziska: „Erst einmal hatte es über den Sport angefangen. Mit 15, 16 habe ich dann den Rettungsschwimmer gemacht und später wurde ich gefragt, ob ich Übungsleiterin sein möchte. Mit der Zeit hat sich das dann immer weiter gesteigert. Mir hat das ganz einfach Spaß gemacht. So ein Kinderlächeln ist auch das Tollste, was man bekommen kann. Später habe ich ja auch Sport studiert und durch diese ehrenamtliche Komponente konnte ich viele Erfahrungen für diesen Bereich sammeln. Das Ehrenamt war somit für mich auch immer auch ein Lernfeld für den späteren Beruf. Im Studium hatte ich z.B. auch nie Probleme damit, Vorträge zu halten, da ich im Ehrenamt schon so viele Erfahrungen als Schulungsleiterin hatte. Dann konnte ich natürlich auch Trainerscheine bei der DLRG machen und mit meinen erlernten Qualifikationen später Geld verdienen. Bei einigen Firmen war ich als Schwimmlehrerin tätig.“

Zum traditionellen Nikolauspokal im Rettungsschwimmen können Kinder ab 5 Jahren starten. Beim Wettkampfsport der DLRG geht es jedoch nicht in erster Linie um das Gewinnen, sondern darum, dass die Kinder Erfahrungen machen. Rekorde werden trotzdem aufgestellt, so auch beim letzten Nikolauspokal 2017

„Das integrative Schwimmen ist für mich mein Beitrag für die Gesellschaft. Ich bin der Meinung, dass zur Integration auch immer eine Aufnahmegesellschaft gehört. Von alleine kann das nicht funktionieren. Und niemand existiert nur für sich allein. Ich lebe in einer Gesellschaft und die Gesellschaft gibt auch Dinge für mich. Ich kann Schwimmen lehren, auf diese Weise kann ich etwas zurückgeben. Ich freue mich über jeden, der sich bei uns engagieren möchte. Das können auch kleinere Aufgaben sein. Die Jungs aus dem Flüchtlingskurs sind natürlich auch nicht überall gern gesehen, da gibt es Vorurteile. Aber mein schlagendes Argument ist immer: “Die haben Lust, sich zu engagieren!“ Und jeder, der sich engagieren möchte, ist bei uns willkommen.“

Jenny: „Konntet Ihr mit der Zeit Vorurteile abbauen?“

Franziska: „Eigentlich arbeiten wir kontinuierlich daran. Zum Beispiel hat sich einmal jemand aus dem Schwimmbad bei den Sportbädern beschwert, dass sich einige unserer Mädels beim Duschen nicht komplett ausgezogen haben. Laut Badeordnung soll man eigentlich nackt vor dem Schwimmen duschen. Das haben sie aus religiösen Gründen nicht gemacht, was ich auch verstehe.  Aber da können doch die Leute selbst aktiv werden. Die Person hat weder mich angesprochen, noch hat sie die Mädels angesprochen. Das wäre doch der beste Weg. Es kann ja sein, dass die Kinder etwas noch nicht wissen oder noch nicht verstanden haben, auch wenn man es schon gesagt hat. Jedem anderen Kind hätte man das vielleicht in Ruhe erklärt:“ Beim Duschen ziehen wir den Badeanzug aus…“

Jenny: „Da gibt es teilweise wahrscheinlich starke Berührungsängste…“

Franziska: „Also, das ist für uns diese Arbeit, die wir jede Woche leisten, zu sagen: “Nein, das sind 13, 14-Jährige Mädchen – redet doch mit denen!“ Naja, aber irgendwann wird das…wir können die Welt nicht von heute auf morgen verändern, aber wir können sie jeden Tag etwas besser machen.“

 Jenny: „Vielen Dank für das Interview!“

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Video: dlrg.tv

Leben retten - Die DLRG in Leipzig
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